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// Die Weite der Cellistin.


Das Gedicht begann in einem pechschwarzen Klangregen. 

Man lief hinein und begab sich damit bereits auf eine unvorhersehbare Abenteuerreise. Rieseln wurde zu Rascheln. Plätschern zu Schlägen. Niesel zu Strömung. Die einen begleitete und mittrug. Oder stehen ließ. Benetzte oder vollkommen ignorierte. Die Schritte waren leichtfüßig, so als würde man nicht von der Stelle kommen. Auf Engelsschwingen getragen und mit Ambossen aus Granit bepackt. Die Blicke nach rechts und links wurden vom monsunartigen Fallen der Tropfen verschlungen. Ebenso gut hätte nach vorn oder hinten geschaut werden können. Es war nichts auszumachen. Und wie schön diese klare Sicht dennoch war. Alles war deutlich zu erkennen und jedwede neue Ansicht komplett verschleiert und unscharf. Brücken taten sich auf, die unter Flüssen hindurchführten und man letztlich auf einer Wolke saß. Auch hier taten sich aufhellende, solare Strahlen auf und nahmen mir komplett die Sicht, verdunkelten den Fluss. Der, selbst nicht scheu, riss die Wolke mit sich und ich fiel durch die Brücke hindurch. Die Engelsschwingen ließen mich schneller fallen, der Amboss verschaffte mir Auftrieb. Das Rieseln hatte wieder begonnen und schuf nun ein Labyrinth, das sich um mich entspann. Die Wände trugen Arabeske und wasserspeiende Gargoyle riefen mir stumm ein Plätschern entgegen. Ich solle mich hinlegen. Ganz dicht auf den Boden, dann würde der Ausgang flink zu mir rennen. Damit verschwanden die figürlichen Fabelwesen auch wieder, nur ihr Plätschern blieb zurück und klang in meinen Augen als zart-seidiger Honiggeschmack wider. Als ich mich auf den Boden legte, sah ich die Wolke von zuvor unter mir schweben, dieses Mal trug sie einen Amboss auf sich. Ich baute eine wässrige Sandburg, die mir in den Händen zerlief und sich über mich ergoss. Ich war in der Burg und stand ganz oben, spielte mit vielen Gedanken und sorgte mich um keine Sorgen. Die Engelsschwingen hafteten nunmehr an mir. Ich schloss die Augen und versuchte mit den Flügeln zu schlagen, aber nichts geschah, weil ich ja auch keine Flügel hatte. Diese flogen nun nämlich mit dem Amboss hinfort. Ich Narr, wie konnte ich nur denken, dass.. Ich sah nun den Eingang des Labyrinths, aber keinen Ausgang. Sollte ich dort eintreten, obwohl ich hier schon bin? Ich richtete mich auf und eine Strömung pustete mir dumpfen Niesel ins Gesicht, sogar direkt in die Nase. Ich musste sofort niesen (ein Niesel-Nieser) aber dann doch nicht mehr. Musste aber dafür aufstoßen. Und dann kam der Nieser. Ich zog mich an einer Arabeske hinauf und steckte dann auch mitten in einem Urwald, der so undurchdringlich schien, dass ich einfach geradeaus laufen konnte. Vipern säuselten an meinem Ohr und schüttelten am Rascheln in selbigem. Vielleicht war ich ja noch immer im Kaffeehaus oder war es der Klangregen, der so roch, wie frisch gemahlener Lavendel? Er musste es sein, denn nur Engelsschwingen haben diesen bedeutenden Duft. Niemals ein Amboss aus Granit. Der riecht, wenn überhaupt, nach frisch gemahlenem Lavendel. Moment. Wenn Kaffee und Lavendel sich ergänzen, wie Niesel und Strömung, dann erlebe ich alles ja zeitumgesetzt und richtungsverkehrt. Drücke ich meine Nase also gegen das Gestrüpp dort, kann ich von hier sicher das Gedicht sehen. Aber, ich stecke ja auch sicher mittendrin und müsste mich dann ja selbst beobachten. Und mit einer Nase geht das nur an Dienstagen und heute ist erst Dienstag und Mittwoch. Es fehlen also noch zwei Oktaven, bis das alles stimmt. Dann muss ich wohl erst mal zum Anfang zurück und mich vom Eingang in den Ausgang tragen lassen. Aber hier ist alles so schwarz und dunkel und neblig und hell. Das soll sicher so sein, wenn ich mich in einem Gedicht befinden. Und Klangregen ist bekanntermaßen nur eine Getreidefarm vom nächsten Lavendelstrauch entfernt. Reimen, Batiken und Melodien schmieden. Dass alles gehört in ein klingendes Poem, ohne Frage und Tadel. Auf geht’s, sonst verpasse ich noch die Ausfahrt zum Gedicht. Immer nach Schwärze Ausschau halten, denn das Gedicht begann in einem pechschwarzen Klangregen.

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