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// Berufskirschkernausspucker.



In meiner großen Pause öffnete ich meine Box, auch Vesperbox, selten Veschbrbixle, genannt und entdeckte, dass, neben meinem Käse-Senf-Lakritzbonbonabrieb-Sandwich, dort unfassbar rot schimmernde Kirschen schliefen. Es war endlich wieder Kirschenessenszeit. Also Juli, oder August? Weiß ich jetzt auch nicht, wann Kirschen wachsen, aber zumindest war es draußen warm, weil ich ein T-Shirt trug und meinen Mützenventilator auf „Windeseile“ gestellt hatte. Ich griff also nach der ersten Frucht, zupfte den Stiel ab, warf ihn auf Gretchen, die vor mir saß (Gretchen ist in etwa so süß, wie die süßeste Kirsche, die ich kenne) und stopfte sie mir in den Mund. Die Zähne versanken gierig und dennoch zärtlich im zarten Fleisch, welch eine Wonne das war. Ich knabberte vorsichtig um den Kirschkern herum, lutschte final die kleinsten Überbleibsel davon herunter und spuckte ihn aus, direkt auf Verena, die auch vor mir saß (Verena war blöd, in etwa so blöd, wie Zartbitterschokolade, was enormst blöd ist). Die drehte sich konsterniert um und warf mir, entgegen allen Erwartungen, einen Aprikosenkern an den Kopf. Seht ihr, sogar noch blöder als Zartbitterschokolade, dieses Mädchen. Ätzend.

Irgendwie kam ich da aber auf den Gedanken, ob man so auch Kirschkernkissen herstellt. Mama hat zuhause immer eins, meist im Winter, das sie in die Mikrowelle legt und es dann den ganzen Raum mit unangenehm pudrigem Geruch erfüllt. Irgendwie komme ich in Gedanken nicht davon los, dass dieser Geruch eine Melange aus den Kernen und Menschenspeichel sein könnte. Übelst ekelhaft wäre das ja. Aber wie stelle ich mir die Herstellung dann genau vor? Arbeiter sitzen täglich herum, essen Kirschen, bespucken sich gegenseitig und, wenn der Arbeitstag vorüber ist, kommt irgendein Praktikant, fegt den Schmodder und die Kerne zusammen, leert sie in ein großes Gefäß und näht dann alles in rote, quadratische Säckchen zusammen? Der könnte die davor wenigstens mal waschen, das Schwein. Ist ja widerlich, die Vorstellung. Untragbar, das Ganze.

Die Berufsaussicht, einer dieser Berufskirschkernausspucker zu werden, scheint mir aber ganz lieblich zu sein. Man sitzt rum, isst Kirschen und danach räumt das alles jemand weg. Hinfort mit euch, ihr Kerne. Danach geht man nach Hause und erzählt von seinem Tag, wie man fast einen verschluckt hat, dem Nachbar übel wurde und fast brechen musste (dafür gibt es ja dann sicher eine Sonderausbildung im Kirschkernbrechpräventionscamp) und Malte, der Bruder von Theo, seinen Hund mitbringen durfte (es war Dienstag). Und Gretchen wartet dann schon auf mich, erzählt von ihrem Tag und wir backen zusammen einen Kirschkuchen. Dann riecht das Haus nämlich nicht nach schleimigem Puder, sondern nach winterlicher Vorfreude und gezuckertem Kirschgelee.


Ich glaubte damals, dass ich genau das werden wollte. Und was denkt ihr? Bin ich es geworden? Wenn ihr nächstes Mal ein Kirschkernkissen seht oder riecht, könnte einer der Kerne ja durchaus von mir sein.

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