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// Schattenfunken.



Der Mann, der dem Schatten eisern frönte. Er mied das Licht. Drückte behende seine Zigarette aus und lief schnell wieder ins rauchige Innere. Den Schlamassel des Tages trug er nur noch vage auf den Schultern. Vieles war bereits von ihm abgebröckelt, vieles hatte er bereits vergessen, vieles hatte er nie erlebt. Er durchmaß den Raum, erhob dazu kaum den Kopf. Er brütete im eigenen Gedankensaft. Das gesellschaftliche Getue hatte er schon lange satt. Kleidung: matt, schwarz, staubig. Die Füße beim Laufen ordentlich anheben ließ er aus diversen Gründen meist ganz weg. Konventionen. Fuck it. Trotz geräuschvoller Schritte betrat er seinen Pub an der Ecke immer unaufsehens. Er lief rüber zum Tisch, setzte sich und lies sich leise in das Polster sinken. Staub traf Staub. Kummer traf Sorgen. Die Vergänglichkeit zog sachte an der Hand seiner einstigen Umtriebigkeit. Die Luft hing schwer auf ihm und muffte nach Zigaretten und letzter Woche. Verschüttetes Bier klebte sich an jene Partikel an und räuberte durch den Raum. Duftbäume sollten so riechen. Pub-Muff statt Frühjahrspracht. Irgendwo verklang ein Gitarren-Riff vom Boss. Das nächste Lied schoss ihm ins Blut, wie ein 16 yrs. Lagavulin. Keine Erinnerung mehr an den Titel. War auch egal. Ist meistens egal. So ist es gut. Die Vibrationen waren entscheidend. Sie trugen ihn für eine kurze Weile über ein tristes Land hinweg. Gaben ihm Auftrieb und ließen das Vergangene, im Tagebuch seiner Gedanken, langsam verblassen. Erinnerungen zu Erinnerung werden. Rest in Peace. Ein Griff, schnöde wie sonst was, zur Brusttasche. Zwei Klopfer und die Gitanes schlüpfte aus ihrem Versteck. Die trockenen Lippen umschlossen den Stängel. Er setzte an und atmete die ersten Schlucke seiner Zigarette ein. Gewaltig. Sie schmeckte nach der unerreichbaren Wirklichkeit. Augen zu, Atem angehalten, während sich der Tabak seine Wege sucht und entfesselt. Alles in ihm verhielt sich wie immer, alles folgte einer bestimmten Ordnung, einem Raster. Muster folgte Muster, keine Überraschungen, keine unerwarteten Entscheidungen. Er sitzt da, wie immer. Sein Bier kommt, wie immer. Er verstärkt die Züge an seiner Gitanes, wie immer. Vor sich hin nuschelnd vergeht ein Teil des Vormittags. Gäste wechseln sich ab, stolpern an ihm vorbei. Er schaut in die Düsternis des Raumes, seines Biers, seiner selbst. Denn im Schatten funkelt er am ruhigsten. Alles, wie immer.



Photo Credit: John Westrock

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