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// Diese verdammte Taktung.



„Dafür is sie doch gedacht.“, so er. Die Zuschauenden in der U-Bahn rutschen nervös hin und her. Raus, rein oder einfach 20 Meter weiter im Wagen. Das „Berlin-Calling“-Tuten der S-Bahn. Los. „Die Stadt. Die Stadt. Es is doch alles dafür ausgelegt sich miserabel zu fühlen und in Umständlichkeit zu vegetieren.“, so er weiter. Da zückt mein Ohr doch plötzlich seinen Block. Mitschreiben, ..-hören. „Der Takt der Bahn. Alle 3-6 Minuten. Die Wahrscheinlichkeit, da eine direkt bei der Abfahrt zu verpassen: astronomisch. Truman-Show-esk in der Ausführung. Drei Sekunden schneller und man wäre drin. So is man gehetzt und langsam wird der Rücken feucht, während alle Leute um einen herum zu Hassfressen werden. Alle sind schuld!“ Drei Leute steigen an der nächsten Station zu. Mehr Zuhörerschaft. „Is man in der Bahn, trägt sicher mindestens einer keine Maske. Bei 3,8 Millionen Menschen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit. Die schiere Masse an Taktung und Rücksichtslosigkeit sollte klar sein, miteinkalkuliert sein. Dennoch schürt es biestischen Hass. Großstadtdilemmata brechen sich Bahn. Hinzu kommen Wind (ewig währender!), Kälte und Regen. Täglich. Unaufhörlich. Lärm, je nach sozialem Status, ist unvermeidbar. Oder kaum Lärm, wenn man 1.500€ Warmmiete im Monat zur Verfügung hat. Da fressen einem die Lärmkabauter die Nerven peu à peu hinfort. (Kabauter sind Seewesen, ja. Berlin hier einfach als Elends-See betrachtet). Manche hören ihm noch zu. Andere versuchen zu lesen. Andere haben Kopfhörer auf. Wieder andere telefonieren mit Freisprechfunktion, ohne Maske. Direkter Verweis aus dem Land müsste folgen! Doppelt versagt im Kapazitätenpool des Lebens, die Gelbe war schon. Rot. Vom Platz. Sofort. „Und das Wetter trägt feixend zur Agonie, gewinnbringend, hinzu. Milchsüppische Schlieren nagen sich unter die Haut, stibitzen einem jegliche ambitionsverliebte Aspirationsklänge. Klingeln zum Trauermarsch. Und da fällt einem Kind seine Lieblingsmaus auf die Straße. Keine Sekunde später wurde sie auch schon von einem BVG-Saugroboter aufgelesen. Weitergetragen. Hinfort. Weinen, Schreien, überforderte Mutter, genervte Nebenstehende. Schlechte Luft. Bus kommt nicht. Es ist diese verdammte Taktung. Aber alle Wege führen, nach mindestens 30 Minuten, zum Ziel. Alles dauert immer mindestens 30 Minuten. Selbst das Müll-runterbringen. Que pena. Man wird zu Mürbeteig, außer man sucht sich Dinge zu tun. Hobbies. Jenseits Netflix‘.“

Viele wachen auf, nehme die Kopfhörer ab, blicken vom Handy auf.

„Aber.. besser, wir verschieben das Gespräch. Hier is meine Station. Danke fürs Zuhören.“, so er.

Er streckt einem Obdachlosen seine Hand hin, packt Melone und Mantel und steigt in seinem Burberry-Dress hinaus. Der Obdachlose sieht ihm nach, dann in seine Hand. Er faltet den 500€-Schein, steckt ihn weg und schiebt seinen Einkaufswagen zur nächsten Türe. Nächste Station: ..

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