// 13. August, 1961.
Wie oft erwacht man schon in einem Gartenhäuschen eines Alterssitzes einer Gräfin aus der Belle Epoque?!
Das Haus im Tudor-Stil gebaut, liegt nun ganz im Regen der Sonne. Auch mich trifft die abstrakte Wärme und ich muss aus Schlafsack, Zelt sowie Gartenhaus. Mit geputzten Augen und Zähnen stolpere ich, kurze Zeit später, aus der Toilette heraus. Aaron, der prächtig gestriegelte Hund, wetzt bereits seit Anbeginn des Tages auf den 8.000m² herum. Der Baron des Hauses grüßt aus seinem kleinen Weinberg, welcher eins ein Amphitheater gewesen war. Welch Kulisse mit seiner Hausdame, die überall hilft, säubert und unterhält.
Ich treffe auf den Vater des Barons, der mich zu seiner Frau mitnimmt. Sie liegt zwei Zimmer weiter. Zwei Pflegerinnen verlassen soeben das Gemach, da sie, die Mutter, im Januar einen Schlaganfall hatte. Mitten in der Nacht, ohne es zu merken. Am Morgen war die Bewegung eingeschränkt und die Erinnerung an ihr vorangegangenes Leben verschwommen und verschwunden. Nun, sechs Monate später, helfen die Bewegungstherapien dem Körper, sich an die Automatismen des Lebens zu erinnern. Die beiden erzählen von der Zeit. Von der Zeit zwischen 1940 und 2021. Ein erfülltes Leben. Nun feiern sie den 60. Hochzeitstag. Diamant. Unvorstellbar. Während sie redet, streichelt er ihr Bein, das vergraben unter der Decke ruht. „Wir hatten ein schönes Leben und wir haben schließlich noch uns, das ist das Wichtigste“, sagt sie schmunzelnd, während sie sich verliebt anschauen. Nach 60 Jahren solch eine Einheit, solch eine Verbundenheit. Leichte Feuchtigkeit umspielt bei der Niederschrift die Augen. Wie wundervoll. Er sorgt sich um sie, sie kümmert sich um seine Sorgen. So ist jedem geholfen. Ich bin gerührt. Sie freut sich, dass ich vorbeigeschaut habe, strahle und wohl ein sonniges Gemüt habe. „Das sieht man heutzutage viel zu selten.“, meint sie. „Bleiben Sie so, wie Sie sind.“
Er stellt das Bild von ihrer Hochzeit beiseite. Anno 1961 war das. Genauer: 13. August, 1961. Der Tag, an dem begonnen wurde, die Mauer zu bauen. Es musste schnell gehen, da sie im Osten lebte und er im Westen arbeitete. So trug es sich zu und ich danke den Beiden für ihre Liebe, die sie miteinander leben und sie mich heute Morgen in eine andere Stimmung überführten, die ich 30 min. zuvor noch nicht in Erwägung gezogen hatte.
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