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// Die Geschichte zweier Männer, die es beinahe gegeben hätte.



Die Beiden trafen sich spätabends in einer Bar. Die letzte offene an einer dreckigen Ecke, wo besonders am Wochenende das Drogengesindel ihre Geschäfte tätigt. Verwahrlostes Loch, heruntergewirtschaftetes Gebäude, Graffiti besprühte Wände und unschöne Schlaglöcher, die wie Maulwurfshügel auf der ganzen Straße verteilt lagen. Alle Elle eines, dass das vorherige an Kummer und Energielosigkeit überschattete. Dunst durchmähte die schattigen Gassen. Das Straßenlaternenlicht flimmerte unsicher in seinen Glasbehältern, zukunftsweisend oder einfach nur geistaufgebend. Drin. Einer der Beiden bestellte Martini, der andere einen Old Fashioned. Das tranken sie schon immer und keiner wollte seinen Brauch, seine Gewohnheit ändern. Sie saßen sich zunächst stumm gegenüber. Jeder nippte großzügig an seinem Glas, leerte es in einem Zug. Zweite Runde, selbe Prozession. Dritte Runde, die Zungen gaben stetig nach, flammten durch den Alkohol auf und kamen nun auf bedrohliche Weise nahe ans Sprechen heran. Vierte Runde. Einer der Beiden stand auf und ging zur Toilette. Die zweite Person stand ebenfalls auf, lief zur Jukebox und warf Geld ein. Der Knopf rastete ein und Albert West begann sein Ginny Come Lately zu säuseln. Der Barmann schaute, mit retardierendem Moment, rüber, zog die Brauen hoch, schüttelte abwertend der Kopf und goss sich einen Lagavulin 16yrs. ein. Auf dein Wohl, du Kneipenwart und Alkoholmatrose. In einem Zug und alles nahm wieder Harmonie und Glanz an. Zurück am Platz steckte die Jukebox-Person sich eine Gitanes an. Das Klacken des Benzinfeuerzeugs schepperte auf unverkennliche Weise. Der Zug an der Filterlosen ließ die Glut an der Spitze aufleuchten. Das Abbrennen des Tabaks und Papiers raschelte dumpf, wie das Abbrennen von Tabak und Papier üblicherweise klingen muss und soll. Der Qualm fraß sich ungehindert durch Rachen, Lunge, Bronchien und unvermeidliche Kindheitserinnerungen. Schweigend wurde die Asche in den Glasbehälter geklopft. Beim dritten Zug kam der Andere von der Toilette zurück, setzte sich gegenüber hin und verlangte seinerseits eine Filterlose. Weiter nichts. Sie schauten auf den Tisch, aus dem Fenster, auf ihre Gitanes. Rauchten und schwiegen. Beide waren sich bewusst, dass der Abend so nicht ewig weiterlaufen kann. Nun gut, er kann schon. Oder einer bezahlt und geht einfach. Die Platte wechselte und Bobby Darin’s Dream Lover ging los. In einer dunklen, lichtverwaisten Ecke saßen zwei ältere Männer, Ende 40, Ende 50. Rauschige Bärte hingen an beiden Gesichtern. Die wiederum hingen in mächtigen Biergläsern, halbleer. Einer setzte gerade wieder an und schwang den Rest mit samt seiner Nüchternheit hinab. Die Bartür öffnete sich und rein kam eine schick gekleidete Frau, Ende 40, Ende 50. Sie blickte sich nicht um, lief direkt auf den Kneipenwart zu. Klopfte auf die Theke, er verstand und stellte ihr ein Pint-Glas hin und stellte die Flasche Glenfiddich daneben. „Danke”, hörte man die Frau sagen. Dann entfernte sich der Thekenmann wieder und überließ sie ihrem Whisky. Sie zögerte auch nicht lange, öffnete den Pfropfen, der quietschend herauskam, und goss sich das Glas halbvoll. Es bestand also noch Hoffnung. Zwei Uhr neunzehn und wir haben noch kein Wort gewechselt, dachte sich Jukebox.

Inzwischen lief im Hintergrund A Teenager in Love von Dion & the Belmonts. Toilette drückte die Zigarette aus, klopfte mit den Fingern auf den Tisch. Ein Ausdruck von Unsicherheit, „Langeweile. Is jetzt zwei Jahre her.”, begann Jukebox. Grummeln kam ihm entgegen. „Is es. Zwei verfluchte Jahre.” Die Türe ging wieder. Ein, offensichtlich, besoffenes Paar kam rein, setzte sich neben die Frau am Tresen. Die nahm Glas und Flasche und verzog sich in eine Booth. Nicht ohne vorher noch „Verfickte Gesellschaft.” zu raunen. Ihr Glas war inzwischen wieder aufgefüllt, halbleer. „Warst du nochmal da? Also - bei ihm?”, sagte Jukebox. „Was denkst du denn?”, sagte Toilette.

Jukebox sah nach unten. Holte eine neue Zigarette hervor. “Es war meine Schuld. Verdammt. Neun Mal hatte ich das damals versucht. Verfickte neun Mal!”, sagte Jukebox. The Ronettes und Be my Baby begann zu spielen. Grummeln von Toilette. „Hm, und? Haste ja gesehen, was dann passiert is.” Klackern des Feuerzeugs, ein tiefer Zug, Erlösung. Jukebox: „Fuck. Hat doch von dem Penner keiner erwarten können.” Zwei Männer liefen an dem Fenster der Beiden vorbei, tauschten kurze Worte aus, schauten hinein und liefen dann weiter. Die Jukebox sprang um und legte What’d I say von Ray Charles auf.



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