// Abend. Nacht. Morgen – Des Triptychon dritter Teil.
- Michael Schuster
- 10. Feb.
- 3 Min. Lesezeit

III. Morgen
11h06
Die Vibrationseinstellung weicht dem Klingelton. Abend wurde Nacht. Nacht wurde Morgen. Und der Morgen soll, erfüllt vom widerlichen Schlürfen an einer Wassermelone am Nebentisch, in Bälde dem 12h00 Scheppern Platz machen. Heute ist der 22. Juli 2018. Wie vorhergesagt tumultieren Menschen umher, gehen anderen schwerstens auf das Gemüt. Also, denke ich zumindest. Ich achte nicht besonders darauf, weil der Nachbartisch offensichtlich eine neue Extraplatte Wassermelonen geordert hat. Widerlicher Haufen Wassermelone-schlürfender-Typen. Das Gemüt wird lauter und neigt doch zu stiller Resignation. Am Himmel verschwimmt das Blau zu einer melierten Decke aus Dunst und Regenwahrscheinlichkeit. In mir drängt das wonnige Gefühl unter meiner selbst zu sein. Ohne Dingen zuzuhören oder auf Dinge antworten zu müssen, die nicht von mir selbst kommen. „Bald ist hier ja auch das Jack-Johnson-Konzert. Voll der Hype, wird richtig fett.“ Ist dem so? Wirklich? Na dann, schmökert bitte weiter in schnöden Coffeehouse-Youtube-Playlists (Ich höre sie ja selber, also darf ich das schreiben).
Es interessiert genauso wenig, wie wenn jemand sein „Nein“ für einen Booty-Call erläutern will. „Nein“ heißt, dass der/die Nächste bei WhatsApp angeschrieben wird. Es bedarf keiner Erläuterung, weil es dabei um schnellen Sex geht. Und während die Ausführung dennoch eintrudelt, kam bereits ein „Ja“ von irgendwem anders. Die Erklärung wird dann zumeist erst am nächsten Morgen nicht gelesen und direkt in den Ordner „schnackt gerne“ verschoben – der Booty-Call-Limbus. Schade. Und dabei ging es doch ums Prinzip und solch.
Erstaunlich viele Menschen mit Rollkoffer, Rucksack und Baby unterwegs heute früh. Papa trägt zumeist den Spross im komfortablen Didymos Babytragetuch, Modell Prima Aurora, Größe 6. Vorbildlich, während Mutti Kinderwagen schiebt und Rucksack schleppt.
Jaja, Frühstückszeit am Sonntag. Das ist hier eben nun mal 11h44. Irgendein Typ rotzt vulgär aber routiniert aus dem Fenster im ersten Stock, direkt auf die Straße. Macht der jeden Morgen, also ist es okay. Ich frage mich nur, ob er direkt nach dem Aufstehen dieses Ritual zelebriert oder dazu erst mal Saft, Kaffee und eine Toilette braucht. Wobei, wenn die Toilette davor käme, wäre das Waschbecken naheliegender für seine archaische Morgenzeremonie. Oder will er die Aufmerksamkeit vom gemeinen Straßenvolk zur Selbstbeweihräucherung oder um angewiderte Blicke zu evozieren? Da ich der Einzige bin, der es wahrnimmt, vermute ich ersteres.
Die Straße verhält sich noch zaghaft und schlummert ruhig vor sich hin. Hier im Café liegen die meisten Vibrationen und das gemächliche Treiben läuft hier zusammen.
Double Espresso (deutsch: Doppelter oder Zweifacher Espresso), um das nächtliche Zuspätkommen herunterzuspülen und die sonntäglichen Bahnen in Fahrt zu bekommen.
Und heute ist ja auch wieder Flohmarkt im Mauerpark. Vielleicht hol ich mir n Stuhl, ein Buch und einen Bilderrahmen. Hab gerade nämlich 278€, die raus müssen. Außerdem sind meine Schuhe zu sauber und ich fühle mich von zu wenigen Menschen bedrängt.. warum geht man da nochmal genau hin? Karaoke, stimmt. Und weil es n ganz nicer spot is, so.
Die Dame mit ihrem Hund schlendert an mir vorbei. Wie jeden Morgen hängt sein kleines Futterdöschen an der Leine und sie meint „komm da weg“. Immer an derselben Stelle – wie jeden Morgen. Heute bemerke ich, zum ersten Mal, dass er seine Hinterbeine leicht hinter sich herzieht. Hüftprobleme, der Arme? Das ist neu. Schön, diese Abwechslung.
Der platitüdisierte Sonntags-Brunch geht weiter, endet aber hier nun. Ich lausche weiter am Nachbartisch und bestelle jetzt eventuell meine eigene Wassermelonenplatte.
Schmatzendst
M.













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