// Ich bin das wahllos ausgesuchte Merchandise eines begnadeten Puppenspielers.
Ein unaufgeregter Tag im huldvollen Stadtkern. Die abgekühlte Luft riecht nach Februar und auch die Menschen haben diese Fadesse minutiös verinnerlicht. Es werden Preise für Produkte gezahlt, die preislich einiges an Erklärungspotential bereithalten würden. Gespräche werden irgendwie geführt. Irgendwie.
Handys liegen auf den Tischen oder sind zumindest allgegenwärtig im Kopf präsent.
Maple Bacon Chipotle Bagel für 5,90€ und #BackOffice hat aktuell 7,9 Mio. Erwähnungen in der sozialen Lebenswelt. Also in der, wo sowas wie ein # überhaupt überlebensfähig ist.
An der Eingangstüre steht ein Dalmatiner, wackelt freudig mit dem Schwanz, schaut dennoch genervt seinen Besitzer an, der mit einer Raiders-Wollmütze und urban Sweater mit seiner Gegenüber-Dame auf Englisch plaudert.
Vor mir wird ein Baby zum Bäuerchen machen gebracht. Am Ende der wertigen Prozession weint es klagend und würde recht daran tun, aus Protest einfach unverfroren in sein Windelchen zu kacken, ohne was zu sagen. Die Mutter klopft aber zunächst weiter auf den Rücken, wobei das Baby dann doch noch einschläft. Nichts mit der Kackrevolte, ein wenig schade, aber zum Trost liegt jetzt der Hund gelangweilt vom wollbemützten Herrchen am Boden und überlegt sich ganz ruhig, welchen Hoden er gleich genüsslich lecken wird. Der linke, so scheint es. Könnten auch beide werden. - Ne, links.
Drei Laptops sehe ich. Drei Mal Apple. Knapp 6.000€. Hui.
Rechts neben mir ein Pärchen, das statt vieler Worte der kunstvollen Streichelkunst anheimgefallen ist. Die Blicke gehen Richtung Café-Mitte.
“Chai-Latte ist fertig!”, schimmert die Stimme der Barista-Blondine wimmernd durchs Zimmer. Hier arbeiten, jetzt gleich mal den Stift zücken und die Nummer des hiesigen Gleichstellungsbeauftragten vorwählen, ausschließlich Frauen.
Darf das? (Das wird man ja doch wohl noch fragen dürfen!)
Männerquote im Café?
Fällt aus.
Dafür schmeckt aber eben der Flat White auch nur halb so gut. Aber, das kann ja noch kommen. Genderdebatten gehen ja erst 2019 so richtig los. Ein Glück, puhh.
Das Baby schreit jetzt auch wieder. Selbst vom frisch gekorkten Respekt-Renten-Empfängers kommt scheltendes Anecken und ein geniester Kommentar zum Genderequilibrium im Café. What do you fancy love? A cup of balance please.
(Ich finde diese erfundene Antwort auch recht einfallslos und profan, also kannst du deine angelesene Feindseligkeit ruhig weiter dösen lassen und still und leise weiter im Hafermilchschaum löffeln.)
Vor mir baut sich eine bunte Posterwand auf. Gesichter wagen darauf einiges an Mimik und nackt. Ich sehe nicht alle Konterfeis, da mir drei Lampenschirme, einer wirkt so groß, wie 24 aufstoßende Babyköpfe, mir die Sicht verwehren.
Grüne Wasserflaschen in einem katjespinken Kühlschrank links daneben, der dem unwirklichen Kichern vom Nebentisch (Beide Damen tönen in exakt demselben Ton, Timbre, Schall, Hall und universumstrotzender Persönlichkeit) die Schau, Show?, Scheu? stiehlt.
“Flat White!”, keift die Barista. Dieses Mal die, welche nicht blond ist, jedoch deren Geschlecht natürlich immer noch weiblich verbleibt (siehe Worte oben und den Artikel “die”).
Der aufgeweckte Wortgourmet wird erkannt haben, dass es sich um das Café What do you fancy love? (die auch mit Coffee where is your Monkey teuren Unfug treiben) handelt. Fleißsternchen für dich..
“Freaky Fresh?”, röhrt Dame Eins, dieses Mal anders intoniert. (Blond, weiblich. Pronomen: Personaler Natur. Artikel: Bestimmt).
Eine andere Pronomeninhaberin läuft mit fertig geschmierten Bagels umher und ruft nach diversen Namen. Alle Namen sind hier erlaubt, keiner wird ausgeschlossen. Es sei denn man heißt Genavefa, Katzbachin oder Winzbroullion.
Mit Vornamen.
Für all jene: Ringt euch dazu durch und konfrontiert eure beschissenen Akademiker-Eltern damit und fordert, zur Wiedergutmachung, mindestens ein Mal rutschen, ohne Absicherung, auf dem hiesigen Spielplatz. Zudem einen Laktose-Lutscher, Marke: Darmimplosion.
Und so wird der Kaffeebohnenstand immer weniger, bis er dann wieder von einer aufgeweckten Mitarbeiterin (w) aufgefüllt wird.
Dabei fällt mir ein, da es die Tagesblätter und digitalen Gazetten einem gänzlich verwehren jenem zu entgehen:
“Vaterland” ist out. “Couragiertes Heimatland” ist Fortschritt, ist kanadisch. Vollkommen richtig so.
Wobei.
Wer wütend moniert, dass die Nationalhymne ein paar Änderungen bekommen sollte, weil sie alle vier Jahre mal im Fernseher läuft und es da wahnsinnig übel aufstößt, sollte sich besser vielleicht mal wieder um seine Kinder kümmern, die seit zwei Wochen in irgendeiner luftberaubten Hüpfburg darauf warten abgeholt zu werden.
Ich erwarte 8,0 Mio. Reposts und zumindest fünf Mentions für #Darmimplosion. Das Trash-Talken möge hiermit beginnen. Aber nur von Carotte-Cake-Liebhabern und Anständige-Vornamen-Trägern.
Ein Wort noch dazu: Den Namen Blödzael empfinde ich beinahe schon als Gewinner des Merklich-anders-aber-ganz-cool-Preises.
Gut.
P.S. I: FILA-Schuhe sind übrigens wieder IN, sehe ich gerade.
P.S. II: Hey Mom, mir geht’s gut. Hoffe mit dem neue Haus passt alles? Ich rufe nächste Woche mal durch. Grüße an Bernd. Hab euch lieb.
P.S. III: Hey Dad, wie stehen eure Pläne für Berlin? Geht’s euch gut? Mir: Ja. Wasser: 1-2, Wetter: 2, Essen; 1+, Schwester: 4-5. Auf bald und liebes Grüßlein.
P.S. IV: Hey Jaz. What up in K-City? Hoffe dir geht’s gut? Wann wollen wir denn dann mal nach Hamburg? Sei artig und brav und schreib mal wieder, du Sack! :) Big love.
P.S. V: Hafermilch und Roggenvollkornbrot einkaufen.
P.S. VI: Gerade packt jemand einen schwarzen Apple aus. 100% Apple, quite ne heavy Quote.