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// Mayonnaise in Reimform!


Es riecht anders als sonst Abends. Mehr Schmuck, mehr Arabesken, mehr Erlebnisse als sonst Abends. Raunig ist es und auch Brezeln werden angeboten. Karten vorgezeigt und das Volk begrüßt. Linien ziehen sich durch das Foyer und der Ton, der irgendwo anschlägt, verhält sich ruhiger als sonst Abends. Obgleich mich der polyphone Kanon ganz milde durchschüttelt. Er befähigt die Vorfreude erst zur Freude zu werden und benetzt die Umhüllung des Trübsinns mit Leichtigkeit. Sorgsam dämpft er die fibrigen Leuchter an den Wänden, flüstert ihnen behütend zu und haucht frische Erkenntnis in die Wipfel des Marmorplafonds. Die Garnitur der Klänge verzaubert sich selbst im Barock des Kleefeus und umschlingt geschickt die illustren Balustraden. Laute verzetteln sich am schwatzigen Brett und werden von einigen der süßen Melodien abgezupft; wandern mit ihnen nun, bis sie verklingen. Worte, die klammheimlich entstehen, wagnisreich etwas Leben erhaschen und fast im selben Moment auch wieder vergehen. Flüchtiger als ein Wimpernschlag und doch steckt darin Geburt, Erfüllung und Vergängnis.

Ein behändes Surren, blechern im Auftreten, schallt sich seinen Weg durch die Lichterflut. Nimmt uns liebevoll auf und zieht uns hinein. Stromig strömen die Geneigten dieser Komödie zügig in den gedeckten Saal. Wir haben uns ausschließlich zu setzen, den Rest bestimmt das Ensemble. Der Bariton wälzt sich, während Tenor und Sopran sanft säuseln und die Euphemismen nur so purzeln. “Vermag diese Feder noch etwas anderes, als nur zu schreiben? Tauche sie weit ins tiefschwarze Tintenfass und befeuchte sie!”, räsoniert die Boulotte, Saperlotte.

Der Gevatter Tod schmäht die Ehe (errare humanum est) und der Blaubart verlangt von Popolani (seinem Alchimisten) dieses Mal einen grand mort bei Boulotte auszulösen und keinen petit. Tänzelnde Töne und leicht fluffige Melodien heimsen sich meinen inneren Applaus gänzlich ein, was nicht zuletzt dem spiritus rector des Orchesters zu verdanken ist. 3 ½ Stunden nach dem ersten Platz-nehmen applaudiere ich frenetisch und beschaue mir nochmal den heller werdenden Raum, den über allem thronenden Kronleuchter und das geschwätzige, mit Musik und Gesang gefüllte, Publikum.

Stromig strömen wir auch wieder hinaus. Eine zimtige Praline am Ausgang als kleiner Gruß zum Abschied und als Ersatz für die jetzt fehlenden Brezeln.

Die Oper leert sich und bald hat sie ihre pulsierende Ruhe wieder. Bereit fürs nächste Entzücken, das nächste Publikum, den nächsten tönenden und schillernden Abend.

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