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// Wohltemperierte Disharmonie.


Eine erneute Revision steht an.

Ein Juhu und lebendige Freudfertigkeit tun sich auf.

Parkfest, 19h55. Mittwoch. August 2018. Es fühlt sich mal wieder nach einem Traktat zu meiner Selbst, im Kontext der Geselligkeit, an. Nach einem, das bereits im Leich der Vorwelt gebadet und all die Tristesse feinlichst aufgesogen hat. Eines, das mich aus der träumerischen Poesie in die prosaische Realität stößt. Bin alleine bei mir. Ein Blick umher. Er schweift. Suchend. Kaum jemand sitzt hier alleine. Einzig einen Mann mache ich auf der Wiese aus, zwei Flaschen Bier vor sich stehend, in einer unerschöpflichen Marie-Antoinette-Pose. Niemand sonst ist alleine. Warum denn eigentlich nicht? Ist es denn immer ein erstrebenswerter IST-Zustand, sich der Gemeinschaft anzuvertrauen, sie als ständig Geleit zu oktroyieren und dabei der Einsamkeit überdrüssig zu werden? In seinem Tun zusammen zu sein und darauf zu bauen, dass einem dadurch keine Einsamkeit zuteilwerden lässt. Ist sie denn nicht auch ein Diamant? Einer, der zumeist sogar mehr Pflege braucht, genährt, geschliffen und sorgsam beschützt werden muss. Gemeinsamkeit ist Allgegenwärtig und einfach. Zweisamkeit ist für die Massen meist immer erträglich – bisweilen für mich jedoch oft ein Zustand des Inadäquaten, der Stimulation des Leistungserbringen-Müssens; so wollen es mir meine Gefühle zumindest einreden. Deshalb wende ich mich oft bewusst von ihr ab, oder vielleicht besser: schaffe es derweil auch schon gar nicht mehr mich auf diese Nähen einzulassen, ohne einem Gefühl der Einengung anheimzufallen. Verneine präemptiv das schwer zu verkraftende Gemeinsame und wünschte es gelegentlich doch herbei. Dabei stoisch dem sich aufbäumenden Schlund entgegenzuschauen, sich freimütig fallen zu lassen und zu merken, .. ja, was? Die Einsamkeit? – wie fühlt sie sich denn an? Ich lausche dem Lechzen der Gedanken, wie sie jemandes Herz gernlichst an ihrer Seite hätten. Dabei gilt es nun, diesen Entzug auszuhalten und das, lediglich noch vom unwirschen Verlangen erfüllte, Auditorium Maximus in meinem Herzen zu begeistern. Ich, der Zauberer. Umringt vom Publikum und im Kern doch alleine. Trickreich ging ich die Bühnen leergesäumter Theater ab. Spielte, um zu begeistern, gierte der Aufmerksamkeit, den erstaunten Gesichtern, dem Ungläubigen in aller Augen entgegen. Fürchtete mich jedoch peinlichst davor, die Ungläubigkeit und die Bewunderung aus aller Augen fliehen zu sehen und sie den wahren Kern meiner selbst erkennen zu lassen. Mit Findigkeiten und Bereicherungen halte ich eine gewisse Distanz zu der Masse, erfreue sie und bespaße das Volk, sicherlich. Leicht kann all das aber verfliegen und ich auffliegen. Das maskenlose Gesicht wird entblößt und zur Belustigung ausgestellt. Frei von Alfanzereien, nur ich. Bin ich denn auch ohne liebenswert – ohne Alfanzereien? Nur mit Quatsch, Blödsinn oder Albernheiten? Verfalle, fehlgeleitet von den Gefühlen davor, dem tristen Walzer, der mich mit seinen schwarzen Tasten umspielt. Vertraue ihm meine Entblößung an und lasse ihn damit tanzen. Zu wissen, wer ich hinter all der Fassade bin, bleibt schließlich alleinig mir vorbehalten. Denn sobald ich demaskiert werde, flüchte ich mich hinter einen Vorhang aus Ausflüchten. Komme an meine Grenze der Distanz und stoße erschrocken und überrascht zurück. Ich müsste die Lücke suchen, die es gewiss gibt, mir aber von Lewis Carroll geschmiedet worden zu sein scheint. Sie ergötzt sich am Gram, der mich heimsucht, und verändert, in wohltemperierten Disharmonien, ihre Größe. Wie ich die Versuche, meine Statur anzupassen, auch gestalte, die Lücke entzieht sich ständig meiner Bemühungen und so lasse ich die Anstrengungen und bleibe bei mir. Auch wenn der Rückzug zunächst einen wohligen Zustand verheißt, trifft mich die schiere Gewalt der Melancholie dann oft wie Troja jener nächtliche Überfall. Ein Betrübnis und jene reife Tristesse, wie sie Erik Satie des Öfteren gekonnt eingefangen hat. Und in diesen Momenten dann gedeihen die Fragen, der Einsamkeit wegen. Wäre eine Zweisamkeit erstrebenswerter oder sollte auch diese Einsamkeit nun festgehalten, sie im Vollsten ausgekostet werden, um irgendwann der wahren Schönheit des Zusammenseins frönen zu können? Sich selbst im einsamsten Moment spüren zu können erfordert Stärke, Aufmerksamkeit und Verständnis. Heilsam kann solch ein Prozess nur dann sein, wenn man weiß zu vergeben, zu akzeptieren und dem Seelenzustand vollste Hingabe zu schenken. Ich bemühe mich in diesen jenen Momenten oft dazu, aus meinem ruhigen Adagio alle Kraft zu schöpfen und daraus ein muntereres Allegro zu komponieren. Halte ich doch mein eigenes Gelingen in den eigenen Handflächen verborgen, sorgsam mich darum kümmernd und damit meines Ichs Zukunft stetig zu nähren. Und wie es der wundervolle Nizar Qabbani einst schrieb:

„I love looking at the moon, when it’s still crescent, because I love everything that has a future.”

So auch ich. Mag der Mond hier für meine gelegentlichen Momente der Einsamkeit stehen.

Wer ich denn nun hinter all dem wirklich bin ist schwer zu sagen. Ich mache mich stetig zu dem, was der Situation adäquat erscheint. Bin zumeist ein unsortiertes Gewühl aus mannigfaltiger Sinnsuche und Hinterfragung. Genau diese Unsortiertheit gilt es in solchen Momenten konkret benennen zu können. Entwühlung und Aufdrüselung jener Emotionskakophonie und Gefühlsmonolithen. Hier will sich eine klare Linie finden, die kein drückendes, schwermütiges und seichtes Sein mit sich herumtragen muss, sondern dem allen als eine Art Prävalenz dient und sich mit einer stoischen Ruhe Überblick über alles verschafft hat. Aus lethargischem Adagio wird frohlockendes Allegro. Leichtfüßig marschiert es in mir umher, neigt sich verspielt über die frisch gemähte Wiese der Erkenntnis und vermag es mir einen klaren Pfad zu weisen. So schafft es mein maskenloses Gesicht dann womöglich auch, die nahezu lückenlose Fassade zu durchdringen und als der besondere Mensch hervorzutreten, der er ist. Mit seinen Makeln, Eigenheiten und Flusen im Kopf. Seiner charmanten und oft auch penetranten Art. Dem Fehlerhaften, das ihm anhaften mag, und auch seiner Sucht, der Einsamkeit verfallen zu wollen. Dementgegen stehen nun aber auch viele ganz wundervolle Dinge. Ein unermüdlicher Drang zu lernen und Neues zu entdecken. Eine schier endlose Faszination für fast Alles; besonders das Unkonventionelle und vom Großteil Ignorierte. Einer großen Liebe zu mir selbst und meinen Eigenheiten und der Vernunft oft Unvernünftiges zu tun. Mag der Erfolg des Vorhabens – diese und viele weitere Züge zuzulassen, sie nicht immer zu hinterfragen, sondern sie einfach da sein zu lassen – mir Gefolgsmann sein. Mit ihm neben mir könnte es in den nächsten Stunden, Monaten und Jahren einfacher sein, die skurrile Lücke aufzufinden und hindurch zu schlüpfen.

So lasse ich also die Magie der Zukunft ihre Macht entfalten und gebe die Einsamkeit sorgsam aus meinen Händen in ihre.

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