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// Curry, 44.

  • Autorenbild: Michael Schuster
    Michael Schuster
  • vor 5 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit


.. na klar, aber will ich das? 

Hab mich da auf ne falsche Liebschaft eingelassen. Ich verliebt, sie gar nicht erst existent. Ruby Sparks lässt grüßen. 

Die unschmeichelhafte Mischung aus Koffein und Whisky sorgt dafür, dass ich im Wachzustand kaum was wahrnehme. Die Visage sieht aus, als hätte vor Wochen Moos angesetzt. Das will keiner sehen, das will keiner ertragen. Deshalb direkt mal alle Spiegel aus meiner Wohnung entfernt. Das war kein riesen Ding, gab sowieso nur den kleinen Schminkenspiegel, den die Eine letzte Woche vergessen hatte. Clara oder Laura hieß die. Oder es war alles nur Einbildung und ich hab mir die Scheiße vor Jahren mal selber gekauft. 

Is ja gut, Selbstmitleid tut hier nichts zur Sache. 

Was ich brauche, is was zwischen die Kiefer. Irgendwas hochwertig Verarbeitetes. Frittiert, fettig, halbwegs sättigend. Currywurst. Is doch ne ehrenhafte Sache, also los. 

Ums Eck is dieser Laden: Curry44. 

Hab bisher nur Gutes gehört. Typ scheint in Ordnung, n Kerl aus Nauen. Die Karte is überschaubar. Currywurst, Pommes, das ganze Ding auch in vegan. N bisschen hochdosiertes Süßigkeitengekramse und was die Erlebnisbadenden und Laufkundschaft eben so verlangen und brauchen. “Durstlöscher” für die Pubertierenden, Wassereis für die Präpubertäts-Gesellschaft und junggebliebenen Hobbyzocker. 


Draußen gibt's Regen. Klar, hab ich so nich bestellt, aber das hat man eben davon, wenn man bis 16h00 pennt. Frühs gab's Sonne. Pech sein Vater. 

Die Straße reflektiert und nimmt der Realität seine Hässlichkeit. Gibt da nur die Lichter zu sehen und alles andere verliert sich im Schwarz des Asphalts. 

Den Kragen des Trenchcoats zieh ich auf Maximum, mein Nacken verschwindet. 

Hände in die Taschen und vorwärts. 3 Minuten laufen; das ertrag ich, das lass ich zu. 

Rechts machen irgendwelche Strolche Räuberleiter und kippeln verdächtig in Richtung Kriminalität. Oder sie spielen nur, da verschwimmen die Grenzen ja schnell mal. 

Hochstraße is schon in Sichtweite. Noch eine links und dann 100 Meter hoch. 

Autos rauschen an mir vorbei. Mit diesem unverkennbaren Nasse-Straße-Rauschen. 

Das natürliche Adrenalin der Straße in Lautschrift. Pirscht sich an und trifft einen unerwartet tief im Magen. Oder ‘s geht nur mir so, aber das reicht ja auch. 

40 Meter. Gleich da. 

Biergarnitur steht auch schon bereit. Ne Primel is mittig auf dem Tisch. Wegwerfromantik wie ich sie liebe.

Im Schaufenster leuchten Neonreklame-Pommes ins Regengrau raus und n halber Kaktus grinst mir beim Reingehen zu, wie n perverser Luftballon-Verkäufer in der U8 nach Feierabend. 

Das trifft bei mir was, wärmende Fußspuren im Herzen oder wie das poetisch heißt. Deshalb lass ich Poesie den ganzen Mülltonnen-Bohèmeiste und konzentrier mich kieber auf mein’ Scheiß. In dem Fall rein und nen Trieb stillen. 

3 Mal Currywurst, 2 Mal Pommes. Ketchup, Mayo, darf alles drauf, bin ja nicht schüchtern. Extra Curry? Sicher nicht, verkaufe ja schließlich keine Luftballons nach Feierabend. 

Ich schau mich um. Ruhige und sachliche Einrichtung. Keine blödsinnigen Schnörkel, kein Aufpreis für extra viel Darm. Hat er sowieso nich da, aber das is n Typ, der für sowas kein’ Aufpreis nehmen würde. Is ne gute Seele, feiner Kerl, n Kawenzmann an Anständigkeit. 

Bin leider nich in Laberlaune, deshalb setz ich mich raus. Primel-Ästhetik auf Orange. Halb Regen, halb überdacht. Vollkommen ausreichend. 

Ich setz mich. Blick: geradeaus. Da sind die Flying Roasters mit ihrem Café. Is auch so n werter Ort, den ich mir wärmstens ans Herz leg. Aber gerade nich, gerade is Hausmannskost mein Kaffee. Kannste jetzt sehen, wie du willst, das is n Premium-Satz. 

Abwechselnd Wurst und frittierte Kartoffel. Ketchup und Mayo auf alles. Da hat er nich gespart. Ich sag doch: Anständigkeit. 

So geht das hin und her. Die Primel leckt sich sichtbar die Lippen nach dem triefenden Elend und sicher auch nach meinem Essen. Ich stell den Pot auf n Boden, was soll sie schon machen? 

N paar Menschen laufen vorbei, Wortfetzen fliegen mir unverwandt ins Ohr “Die Poolnudel gehört ins Nutella!", “Die hatte It's not that deep als Lebensmotto.” und “Hast du den Typ gesehen? Wer verkauft denn Luftballons nach Feierabend? So ein Ekelhafter.”. 

Garnisonen der ausufernden Bedeutungslosigkeit. Der muss man sich aber auch immer wieder mal bewusst werden. Die Unwichtigkeit seiner Worte auf Relevanz prüfen. 

Ich stopf mir die letzten Happen sorgsam rein und verneige mich vor dem Koch. 5/5, beste Wurst im Wedding oder sonst wo. Hinter mir raschelt was. N Schild: Capri-Sonne 0,80€. Heißt das nich inzwischen Capri-Sun

Von unten dringt Wimmern hoch und ich stell das Pflänzchen wieder an seinen Platz. 

Nun is aber auch genug gesabbelt: Ende, Sonntag, Winter, Eucharistie: “Ite, missa est”, Gehet hin in Frieden.  


Der Regen dichtet weiterhin sein feuchtes Sonett in die Umgebung. Kann man jetzt so und so sehen; ich muss bei dem Gedanken aber fast austreten. 

Heimweg also. 

Ich klopf gegen die Scheibe, wir nicken uns noch irgendeine universelle Verabschiedung zu, bis er sich zum Grill dreht und ich (mich) zum Gehen. 

N paar Euro weniger auf der EC, läuft es sich auch direkt leichter abwärts. 

Trenchcoat auf Maximum. 

100 Meter runter. 

Dann rechts. 

Der Asphalt schluckt noch immer alles, außer die Lichter. Die nassen Tropfen füttern das Schwarz unablässig. 

Die Räuberleiternden haben sich inzwischen verzogen oder stecken jetzt im Jugendknast. Beides valide Optionen. 

Fast bei mir angekommen, scheppert mit die Poesie dann doch noch angesoffen ins Fruchtfleisch: 


Wenn der Tag verblüht und die Bedrängnis größer wird, feilscht der Verstand mit der Müdigkeit. Einige Minuten mehr ginge doch sicherlich noch. Dröhnen, bis alles auserzählt ist, dann legen sich die Klänge zur Ruhe. 

Aus. 

Nichts. 


 
 
 

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