// Party / 21h00 / Samstag – Ein kaum durchdachter Disko-Diskurs.
Ein Launch-Event für ein neues Cross-Channel-Magazin, das man fühlen, schmecken, anprobieren, lesen, bezirzen und begatten soll. Im Hintergrund läuft Simon Says von Pharoahe Monch, also Get the fuck up. Leuchtende Augen und iPhone-Kamera-Lights der 20-jährigen Models aus den Shootings. Sie posen vor dem Cover des neuen Softcover-Magazins. Mindestens 45 min. suchen sie nach Winkeln, Hashtags und Beachtung des Selbstwerts. Es stellt sich heraus, dass dieses Unterfangen schwerer ist als Biggie Smalls (Ich habe keine Ahnung von Hip Hop, aber das ist wohl ein gängiger Witz). Die Party-Crowd sitzt auf Sofas, Bierkästen und der Last ihrer Eitelkeit. Die Leute bleiben meist in ihren Zweiergruppen, in der sie angekommen sind. Ein Happen Summer-Roll hier, ein Schluck Gin-Tonic da. Meine Pappkiste des wertigen 5,0% Biers füllt sich jäh mit Trinkgeld der hiesigen Menge. Warum ich hier bin? Aus einem Gefallen heraus. Ich hab Spaß, beobachte das Treiben, schau hinaus in die dunkle Berliner Nacht. Sehe die Reflexionen der bunten Party-Lights hinter mir. Tonic Water und Gin fließen in rauen Mengen, alles umsonst natürlich. Direkt neben mir macht sich eine Horde Jung-Rapper an, die Crowd mit ihren Beats und Lyrics anzuheizen. 101 Dalmatiner heißt einer der Songs. Alle grölen „Hunderteins! Hunderteins! Hunderteins!“. Die Models lassen sich davon weniger irritieren und füllen weiterhin ihre Speichermedien mit ein und demselben Bild – hoffentlich wurde wenigstens eins davon vorzeigbar. Direkt neben den Models produzierte eine kleine Maschine frisches, salziges Popcorn, dass mir auf Verlangen danach auf einem TIP-Pappteller gereicht wird. Schmeckte ganz passable. Aber es ist auch gepuffter Mais mit Salz, da ist ein ekelhafter Geschmack so ziemlich ausgeschlossen – what you see is what you get. Die Party wabert seicht vor sich hin, richtig Stimmung kommt nicht wirklich auf. Die Entourage der Rapper-Boys macht noch am meisten Krach und rappt unverständliche Sätze vor sich hin, freut sich darüber und einer verlangt zwischendurch immer mal wieder eine „Mische“ von mir. Wodka-Apfelsaft wird gereicht – 50:50, nicht weil er es will, aber weil man das eben so macht. Das Verhältnis stört ihn auch beim siebten Becher nicht. Auch alle anderen sind von ihren, hauptsächlich aus Alkohol bestehenden, Getränken überzeugt und bestellen munter weiter. Die Plastikbecher (die Masse wurde darum gebeten ihre Becher zu behalten) knistern beim Eingießen, die Eiswürfel stoßen aneinander und hüllen die Flüssigkeit in sanfte Kälte. 1h30. Sonntagfrüh. Die meisten Gäste sind schon gegangen. Teils aus Langeweile, teils wegen der leeren Akkus ihrer Smartphones. Die übrigen 15 Leute sind inzwischen beim elften Glas der 50:50-Mische und das merkt man. Das zuvor angekündigte DJ-Battle Oldschool vs. NewShit hat bereits begonnen. Der Hausherr legte MOP, DMX, NWA, Blackstreet, Montell Jordan oder B.I.G. auf die Teller. Sein Newschool-Findelkind kontert mit Jay-Z, Outkast, Eve und Dingen, die klingen wie Dinge die es irgendwann schon zu oft gab. Hausherr A., der vor 30 Minuten auf 70:30-Mischen umgestiegen war, rappte munter alle Songs mit und verkündete gegen 2h15 seinen eindeutigen Sieg und die Dominanz der Oldschool-HipHop-Bewegung gegenüber dem "Lutscher" neben ihm. Ich sammle dabei mein Trinkgeld ein, lasse alles in der linken Hosentasche verschwinden und suche mir meine Klamotten-Schichten zusammen, damit die -13 Grad ungestört an mir vorbeimarschieren können. Küsschen hier, Küsschen da. Handshakes, Augenzwinkern und Schulterklopfer (für die nicht ganz so offenen Herren der Runde). Ich trete in den Flur, atme durch. Milder Grasgeruch steigt mir in die Nase – sicher noch vom frühen Abend. Feierabend-Jays und so. Fünf Stockwerke hinab, durch den Hinterhof und raus auf die Straße. Die -13 Grad treffen mich wie ein Bild, dessen Produktion mindestens eine Stunde des Lebens gekostet hat und nun kein einziges Like bekommt.