// 6/12 Geschichten mit den Großeltern (Burgberg) I
#1: Osterhase
Mit Oma lief ich eines Tages spazieren. Es war um die Zeit der Ostertage herum, als wir uns, entlang der grünen Nadelbäume, die „Huab“ hinauf mühten. Ich sah zu der, mich an die Hand genommene, Dame hoch und hörte ihr zu, wie sie mir eine kurzweilige Geschichte erzählte. Unbewusst drehte ich mich um und sah den Berg hinab. In der Ferne ließ sich ein braunes Etwas ausmachen. Es hoppelte unbesorgt über das gemähte Feld und verschwand kurze Zeit später im angrenzenden Dickicht. Staunend schaute ich zu meiner Oma und fragte sie, ob das der Osterhase war. Meine Oma sah mich mit einem vertrauten Lächeln an und meinte, dass er es war, jetzt aber noch alle Geschenke sammeln und sich ausruhen muss, bevor er zu uns nach Hause kommt. Freudig schritt ich weiter und konnte es kaum abwarten, den Hasen bald bei uns zu Hause begrüßen zu dürfen!
#2: Erdbeere
Mit tapsigen Schritten holperte ich neben meiner Oma her. Wir befanden uns am Sportplatz und umkreisten das Fußballfeld, um mich ein wenig müder zu machen und auf einen Mittagsschlaf vorzubereiten. Plötzlich schimmerte von rechts ein roter Punkt durch das Grün im Zaun. Ich schaute genauer hin und erkannte eine winzig kleine Erdbeere, die sehr verloren zwischen all dem Gebüsch wuchs. Meine Oma beugte sich zu mir hinab und versuchte die Frucht zu greifen - leider erfolglos. Auch ich versuchte mein Geschick, da ich kleinere Hände hatte und besser durch den Maschenzaun durchgreifen konnte. Kurz vor ihr hielt mich das Drahtgeflecht zurück und ich kam nicht näher an die Beere heran. Mit eisernem Willen versuchte ich nochmal alles und erreichte sie. Leider rutschte ich kurz danach ab und die rote Erdbeere verschwand im Grün des Waldes. Traurig standen meine Oma und ich auf und liefen weiter. Die Erinnerung daran wird uns jedoch immer verbinden.
#3: Schwimmen
Ein weiterer, brütend heißer Tag machte sich an, den schwülen Karibikalltag zu umarmen. Bis dato mochte ich das kühle Nass des Pools, jedoch war mir der Umgang damit nur mit Aufsicht gestattet, da ich das Schwimmen noch nicht erlernt hatte. Dies sollte sich heute alles ändern. Mein Opa ging mit mir in den warmen Pool und hielt mich am Bauch vorsichtig über Wasser. Er zeigte mir die Bewegungen, welche ich versuchte zu imitieren. Es fühlte sich an, als hätte ich jegliche Kontrolle über meinen Körper abgegeben und schlingerte panisch umher. Doch jeder weitere Versuch gab mir etwas an Kontrolle wieder, bis ich nach längerem üben die ersten Züge alleine vollbrachte. Eine neue Art der Fortbewegung war mir damit erschlossen und ich wollte am liebsten nie wieder damit aufhören. Äquivalent zum Erlernen des Laufens, hatte ich nun einen weiteren Schritt in Richtung Autonomie getan und war meinem Opa mehr als dankbar dafür!
#4: Haare
Der Herbst hatte sich kühlend über unser Dorf gelegt und verhalf die durch den Sommer entstandenen Wunden zu heilen. Ich fand mich im Hause meiner Großeltern mit einer Schere auf dem Klo wieder. Es war eine ungewohnte Situation, denn in diesem Moment störten mich meine Haare mehr denn je. Ich musste und konnte das ändern, da ich nur einen Schnitt vom befreienden Gefühl entfernt war. Mit dem Büschel Haare in der Hand, setzte ich die blitzende Schere zehn Zentimeter über den Spitzen an und drückte zu. Fein tänzelnd schwebten die feinen Haare in meine Hand nieder und lagen bewegungslos da. Unsicher, was ich da gerade getan hatte, nahm ich die goldenen Fäden und legte sie hinter die Toilette, in der Hoffnung dass sie niemand finden würde. Die Last der Haare war endlich von mir genommen, auch wenn diese kurze Zeit später gefunden wurden und ein regelrechtes Fragengewitter auf mich hereinbrach. Gelohnt hat es sich allemal!
#5: Pfeil und Bogen
Im Alter zwischen 6 und 8 entbrannte in mir der „Räuber und Gendarme“-Gedanke. Ich wollte unbedingt etwas zum Schießen haben. Mein Opa half mir dabei mit dem Vorschlag Pfeil und Bogen zu basteln. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich das selbst nie vorgeschlagen, auch wenn es großartig klang. Haselnusssträucher sollten uns das passende Material dafür liefern, da sie geschmeidig und leicht zu biegen waren. Mit einem Schweizer Taschenmesser bepackt machten wir uns auf und liefen in den Wald, wo es unzählige dieser nusstragenden Bäume geben sollte. Mit energischen Schnitten und wildem Ziehen ergatterten wir letztendlich zwei dickere und vier dünnere Äste. Jeweils für Bogen und Pfeile. Zuhause verknüpften wir die beiden Enden eines dicken Holzes und erschufen dadurch einen eleganten Bogen. Die dünneren „entzweigten“ wir und machten sie mehr oder weniger gerade. Durch schnitzen erhielt man spitze Pfeile, die am Ende jeweils kleine Kerben bekamen um sich besser in die Schnur des Bogens einzuschmiegen. Der erste Schuss zischte los und ich war für das Räuber und Gendarme spielen gewappnet!
#6: Mäusle
Abendbrotzeit. „Veschbr“, wie es der Schwabe auch gerne nennt. Die Tradition wollte es so, dass weder meine Schwester, noch ich unbedingt essen wollten, außer wir konnten Essen klauen. Hierbei trug es sich also zu, dass unser Opa Brote schmierte, sie in kleine Stücke schnitt und ab und an wegschaute. Wir kleinen Firlefanze nutzten diesen Moment der Unachtsamkeit natürlich und stibitzten heimlich die mundgerechten Brotstücke. Als Opa dann wieder hinschaute fehlten meiste zwei bis vier Stücke und er schaute verdächtigend in unsere Richtung. Offensichtlich kauend verneinten wir dieser unangemessenen Verdächtigungen und grinsten. Als er sich ein weiteres Mal umdrehte, sahen wir erneut unsere Chance und schlugen zu. „Z Breddle“ war zu diesem Zeitpunkt schon halb leer und aus unserem anfänglich widerwilligen Verhalten gegenüber dem „Veschbr“ wurde eine Katz und Maus Jagd nach dem best-belegten Stück Brot.