// Dienstag, wenn der Abend dräut.
Da reißt sich ein Gedanke den nächsten. Ideen jagen einander, als stünde nur eine Tragödie zur Aussicht. Ein verzweifelter Morgenessay, den es zu Schreiben gilt. Derweil ergibt sich die Sternstille und weicht dem sachte tremulierenden Nachtrauschen.
Ich, das bin mehr oder weniger ich, der Schreiber, Tastenquerulant und Ergebener einer verhunzelten Flasche Islay Scotch. 16 Jahre gereift, zusammen kommen wir auf 51. Ich gebe ihr zwei Stunden - darum musst du dich nicht kümmern, das wird schon, das packe ich, ganz alleine.
Ich trete mit den Augen weiter auf der Stelle, sehe die Worte “Alto Manhatten”. Das is auch so ein Falscher Amigo, eine verlegene, falsche Fährt, die mich dazu bringen soll “Altes Manhatten” zu sagen. Weiß der Fingerhut, warum. Ich suche, finde und weiß aber, dass es was mit “hoch” zu tun haben muss. Altitude und der ganze Käse. Hohes Manhatten. Meinen sicher Upper Manhatten. Ganz sicher. Da im Residenzbereich tummeln sich Spanish Harlem, Harlem, Little Dominican Republic. Das Apollo Theater. Duke Ellington, Count Basie, Nat King Cole. Die Musik, die den Whisky erst trinkenswert macht, die ihm die nötige Liebe einprügelt und ihn sanft in den Arm nimmt, streichelt und ihn dann den Rachen runterstößt. Eine gewaltige Mischung. Eine Explosion der guten Sitten und des dynamischen Rausches. Brennende Schönheit zerfließt auf der Seele, spuckt sie aus und saugt sie mit kräftiger Lunge wieder ein. Die Nacht tut ihr Bestes, mich in Ruhe atmen zu lassen, mich der Stille und dem König Alkohol hinzugeben um ihnen meine klammen Hände zu reichen. Babe, all I got, oh I’ve got it from payin my dues singt da Kirk Fletcher. Das Saxophon drückt mich weiter zurück in den Sessel, kreidet mir meine kurze Abwesenheit sonor schnurrend an. Es hat recht, ich bin nicht da, nicht aufmerksam. Whisky, Nacht, Blues, alles zieht seine Schlieren und schmiert den Tag mit tiefgreifender Verlustigung ein, saut ihn zu und sorgt dafür, dass die Schatten Platz haben zu gedeihen. Ich stelle mich den Gewächsen, die mir in die Quere kommen können. Besonders einer: Pavor Nocturnus, die Nachtangst. Ich wache auf, mit schnellem Puls, aufgeriebener Atmung und kaltem Schweiß, dass es einem Fiebertraum gleichkommt. Ich stehe reglos in meinem dunklen Zimmer. Umnachtet vom bitterlichen Wunsch zu wissen, wo ich bin. Scheiße. Mein Geist is halb da. Halb. Wie ich aufgestanden und hierher gelaufen bin kann ich, selbst mit geladener Waffe an der Schläfe, nicht reproduzieren. Mein Kopf zieht, drückt, rauscht. Ich kann weder vor, noch zurück. Es ist lähmend, wie ich dastehe. Der Lichtschalter? Tja, is sicher rechts, irgendwo. Ich kenn dieses scheiß Zimmer doch in und auswendig. Täglich stehe, liege oder sitze ich darin. Jeden traurigen Winkel hab ich schon gesehen. Und jetzt fehlt jegliche Information darüber. Viel bleibt mir nicht übrig. Auf den Boden legen und warten, bis ich wach werde oder wieder einschlafe. Irgendwann wird es hell, irgendwann erlöst mich der Tag vom Zwang der Nacht und reibt mir die Augen wach. Ich komme aber kurz danach zu mir, realisiere wo ich bin, wo ich liege, wie ein verschrecktes Reh. Finde den Lichtschalter, drücke ihn und schieb mich zurück auf die Matratze. Mein Bett als Schutzzone vor der Nacht, vor der scheinbar undurchdringbaren Kälte der Dunkelheit. Pavor Nocturnus. Mein braver Knappe, verlässlich seit meiner Kindheit. Du zeigst dich nur nachts, wandelst im Schutz der Nachtmahrstunden und hinterlässt so wenig Spuren wie eh und je. Unauffindbar zu tags. Versteckst dich mit begnadeter Akribie und wehe dem, der dich aufspüren sollte. Schmiedest dir, geschickt wie ein Elb, Tarnkleidung. Verschwindest im Dunst des Atems, im Luftzug eines Blinzelns.
Auf bald, adieu.
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